Schneewittchen und Resilienz
21. August 2024 | von Kerstin PentermannResilienz beschreibt die Fähigkeit eines Menschen, schwierige Lebenssituationen zu bewältigen, sich von Rückschlägen zu erholen und gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Resiliente Menschen können trotz Widrigkeiten psychische Gesundheit und Wohlbefinden aufrechterhalten.
Nun sind Märchen nicht gerade eine direkte Parallele ins Leben mit all seinen Vielschichtigkeiten. Aber die holzschnittartigen Charaktere, die Trennung von Gut und Böse, hilft erst einmal, die Märchenwelt einzuordnen.
Interessant ist, dass die Märchenhelden stets eine innere Resilienz in sich tragen und damit auch ganz unerwarteten Herausforderungen trotzen. Die Märchenhelden verfügen selbst in jungem Altern (Aschenputtel, Hänsel und Gretel) bereits über Ressourcen, die ihnen das Überleben in einer ihnen nicht wohlgesinnten Umgebung ermöglicht und sie am Ende noch ihr eigenes Happy End erleben lässt.
Das können sie aber nur, weil sie das Vertrauen auf die Zukunft nicht verlieren.
Und: Märchenhelden sind sehr zielgerichtet und suchen nach Lösungsstrategien, um sich erfolgreich aus ihrer zunächst heiklen Situation zu befreien.
Dabei zeigen unsere Märchenfiguren durchaus Emotionen. Emotionen spielen in der Resilienzbildung eine wichtige Rolle. Wer trauert oder sich ärgert macht einen großen Schritt in Richtung Akzeptanz und kann sich dann wieder den positiven Seiten des Lebens zuwenden.
Menschen ohne Ressourcen, die resilient machen, schaffen den Schritt zur Akzeptanz oft nicht und verharren in ihren negativen Emotionen. Das passiert im Märchen nicht.
Mein Lieblingsmärchen in Bezug auf Resilienz ist Schneewittchen von den Gebrüdern Grimm.
Faszinierend für mich ist, dass die Resilienz von Schneewittchen im Umgang mit ihrer bösen Stiefmutter sie sogar aus dem Todesschlaf erwachen lässt. In einem Zustand, wie er schlimmer nicht mehr sein könnte, helfen die sozialen Bindungen zu den Zwergen, die Schneewittchen als Ressource aufgebaut hat, ihr über diese letzte Katastrophe hinweg.
Die symbolische Wiederauferstehung steht für die Fähigkeit, nach einem schweren Rückschlag wieder aufzustehen und einen Neuanfang zu wagen. Resilienz bedeutet, auch nach scheinbar aussichtslosen Situationen nicht aufzugeben und weiterhin an das Gute zu glauben.
Dabei hat Schneewittchen schon viel Leid erfahren:
Schneewittchen wird von ihrer Stiefmutter, der bösen Königin, abgelehnt und sogar um ihr Leben betrogen. Dieses Gefühl der Ablehnung ist eine enorme emotionale Belastung. Schneewittchen muss damit umgehen, dass sie von ihrer Familie verstoßen wurde, und entwickelt dabei die Fähigkeit, ihre emotionale Verletzung zu bewältigen. Dies ist eine Form von Resilienz, die zeigt, wie man mit schmerzhaften Verlusten umgehen kann.
Im Wald muss sich die Prinzessin anpassen. Auch diesen Bestandteil von Resilienz meistert sie mit Bravour. Sie führt den Zwergen den Haushalt und lebt mit ihnen in der Natur. Sie akzeptiert ihr neues Leben und ist glücklich, bis sie in den vergifteten Apfel beißt, den die Stiefmutter ihr reicht.
Auch hier greift ein Aspekt der Resilienz. „Lerne aus Fehlern“ ohne jedem und jeder misstrauisch gegenüberzutreten. Vorsicht ist nicht mit Misstrauen zu verwechseln.
Schneewittchen wird durch das Erlebnis mit dem vergifteten Apfel in Zukunft wachsamer sein, wenn sie ungewohnte Situationen meistern muss. Diese Lektion ist ein wichtiger Teil der Resilienz, da sie hilft, zukünftige Gefahren zu erkennen und zu vermeiden.
Resilienz ist also auch Selbstmanagement.
Wer resilient ist, strahlt Authentizität und Selbstbewusstsein aus und verfügt im optimalen Fall über starke Netzwerke und Integrität.
Schneewittchens Geschichte erinnert daran, dass der wahre Wert eines Menschen – und damit auch sein Erfolg – nicht nur in seinem äußeren Erscheinungsbild liegt, sondern in seiner inneren Haltung und seinen Werten.
Ich habe mich seit meiner Schulzeit immer wieder gerne mit den Botschaften von Märchen auseinandergesetzt.
Sicherlich wurden sie in einer Zeit aufgeschrieben, in der andere Wertvorstellungen und Rollenbilder herrschten, als heute.
Aber viele Botschaften sind noch heute mich eine Möglichkeit innezuhalten und zu reflektieren, denn sie sind aktuell wie eh und je, in einer Zeit, in der man sich gutes Ende für viele Geschehnisse tagtäglich herbeisehnt.
Märchen waren die Begleiter meiner Kindheit. Geschichten sind wichtig für unsere Entwicklung. Und sie sind auch heute auch noch für mich in vielen Situationen eine sprudelnde Quelle an Innovationen und schaffen einen Rückzugsraum um mich zu überdenken und weitere Entscheidungen zu treffen.
Ich wünsche dir immer eine gute Geschichte, wenn du wichtige Entscheidungen treffen musst!